Mit etwas Verzögerung ist nun mein Aufsatz "Unheimliche Freunde. Was die Schachwelt im Deutschen Reich mit dem NS-Regime verband“ im Erscheinen begriffen, und zwar in der geschichtswissenschaftlichen Fachzeitschrift Historische Mitteilungen der Rankegesellschaft, Band 35 (2024). Der Aufsatz ist peer-reviewed.
Wie der Titel schon besagt, fragt der Aufsatz danach, was das NS-Regime und die Welt des Schachs im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945 verband. Es schien eine große Distanz zwischen dem vornehmen königlichen Spiel und dem menschenfeindlichen Regime zu bestehen. Doch zwischen dem Großdeutschen Schachbund sowie der KdF-Schachabteilung und dem NS-Regime gab es starke Verbindungen, sowohl direkte als auch vermittelte. Schach wurde vom Selbstzweck zum Mittel zum Zweck und genoss im Gegenzug vielfältige Unterstützung durch das NS-Regime. Dennoch gelang es den Nationalsozialisten nicht, das Schachspiel in ein quasi-nationalsozialistisches Spiel zu verwandeln – die Bedeutung von Jüdinnen und Juden im Schach konnte nicht getilgt werden. Mit der kulturellen Praxis der individuellen Aneignung wurde das Schachspiel aber durchaus mit Inhalten aufgeladen, die auch vom nationalsozialistischen Regime hoch geschätzt wurden. Und gerade die reiche Schachkultur machte es anfällig für die Anreicherung mit solchen Inhalten – mit Blick auf die Geschichte des Schachs bis zum heutigen Tage ist festzustellen, dass das nicht einfach ein historischer Befund, sondern ein allgemeingültiger Befunde ist.
Der Aufsatz geht die Fragestellung mit verschiedenen methodischen Zugriffen an: zunächst ein eher ereignis- und strukturgeschichtlicher, dann folgt ein kurzer systemischer Zugriff, um schließlich aus kulturgeschichtlichem Blickwinkel bislang wenig beachtete Bezüge zwischen Schach und Politik herauszuarbeiten.