Zwei Jahre Aljechin-Studie

Historiker sind es nicht gewöhnt, dass ihre wissenschaftlichen Texte große Verbreitung finden. Das muss nicht sein – und es hilft besonders, wenn das Thema über die wissenschaftliche Community hinaus Interesse erzeugt und so für Reichweite sorgt. Die Frage nach der Nähe des Schachweltmeisters Aljechin zum NS-Regime war ein solches Thema. Heute vor zwei Jahren schloss ich meine Aljechin-Studie ab, fünf Tage später wurde sie in deutscher Sprache auf der OPUS-Plattform der Universität Stuttgart veröffentlicht. Einige Monate später folgte dort auch die englische Fassung. Die Reichweite dieser Publikation und die Reaktionen darauf waren enorm. Sie wurde in deutscher Fassung rund 2.600 Mal, in englischer Fassung fast 4.400 Mal von der OPUS-Plattform heruntergeladen. Insgesamt also annähernd 7.000 Downloads, vor allem in Europa und den USA, tatsächlich aber waren im Laufe der zwei Jahre alle Kontinente vertreten. Geht man davon aus, dass die Publikation nicht nur heruntergeladen, sondern auch direkt weitergeleitet wurde, so lag die Reichweite gewiss im fünfstelligen Bereich.


Auch die öffentliche Aufmerksamkeit war außergewöhnlich. Noch im Februar 2021 war die Studie Thema im Standard (Wien), im Juli in der Frankfurter Allgemeinen. Die Besprechungen auf der deutschen und englischen Seite der reichweitenstarken Plattform Chessbase trieb die Zugriffe in die Höhe. Gleiches galt für einige Erwähnungen in den Social Media, etwa von TWIC. In einem Schachmagazin erschien ein Interview zur Studie und ihrer Entstehung.


Viele direkten Kontaktaufnahmen und freundliche Rückmeldungen folgten. Einzig negativ war dabei der Kontakt mit dem Deutschen Schachbund. Für ihn war meine Studie insofern relevant, als sie mit dem Nationalsozialisten Paul Wolfrum einen dem Verband selbst unbekannten Präsidenten des Schachbundes ans Licht des Tages brachte. Großzügig den Mantel des Schweigens über die Details des Kontakts geworfen: Am Ende hatte ich zusätzliche Informationen zu Paul Wolfrum bereitgestellt, danach veröffentlichte der Schachbund einen biographischen Abriss zu Wolfrum – jedoch dort ohne Verlinkung zur Aljechin-Studie oder gar Dank für die bereitgestellten Informationen!

 

Ansonsten aber gab es durchgehend freundliche und sehr freundliche Rückmeldungen. Vor allem die zahlreichen Wortmeldungen aus dem wissenschaftlichen Bereich zeigten, dass die Studie ihre eigentliche Zielgruppe erreicht hatte. Hans-Joachim Teichler etwa baute die Aljechin-Studie direkt in die Neuauflage seines Standardwerks „Internationale Sportpolitik im Dritten Reich“ (Baden-Baden 2022) ein. Mein vor einigen Monaten erschienener Aufsatz „Entangled“ in der internationalen geschichtswissenschaftlichen Zeitschrift STADION war ebenfalls eine Folge der Studie und ihrer Rückmeldungen.